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Sunday 25 March 2012

Der sündige Grieche rechnet sich


Die Kolumne 20. Mai 2011


Kurios, aber wahr: Wohl keiner verdient durch die Krise so viel Geld wie die Bundesregierung. Es ist Zeit, mit diesem Gewinn von rund 10 Mrd. Euro endlich die Zweifler zu beruhigen.
Für Theatralik sind die Griechen zuständig. Die Deutschen können das allerdings auch – wenn es darum geht zu wehklagen, wie viel der deutsche Steuerzahler noch für Griechenland zahlen muss. Und Abgeordnete im Bundestagsrücksitz meckern, dass sie nicht mehr zustimmen könnten, weil unsere große Hilfsbereitschaft jetzt die Schmerzgrenze erreiche.
Das muss so eine Art Phantomschmerz sein. Bis dato hat ja nur der Grieche mehr Steuern zu zahlen, auf Tabak, Wein und überhaupt jeden Mehrwert sind es 23 Prozent, auf Druck der deutschen Kanzlerin. Bei uns liegt der Mehrwertsteuersatz dagegen unverändert bei 19 Prozent. Und in der Koalition wird wieder von Steuersenkungen geredet – nicht von Erhöhung.
Und das ist kein Wunder. Bei genauerem Hinsehen haben die Deutschen ja nach wie vor nichts bezahlt. Im Gegenteil: Wir kriegen sogar was, und die Krisengewinne werden größer. Vielleicht wäre es fürs allgemeine deutsche Bauchgefühl hilfreich, wenn der Finanzminister seinen Griechengewinn da einfach mal ans Volk ausschüttet, sagen wir, an jeden „Bild“-Leser einzeln. Und die FDP.


Gefühlte deutsche Armut
Kleine Erinnerung: Die Griechen haben 2010 via Hilfspaket 110 Mrd. Euro an Krediten zugesagt bekommen, weil vor lauter verselbstständigter Marktpanik keiner mehr griechische Anleihen kauft. Davon tragen die Deutschen nach üblicher Gewichtung gut 22 Mrd. Euro. Und auch das ist nicht geschenkt. Auf den Kredit muss der gebeutelte Grieche Zinsen zahlen, nach Logik der ökonomischen SM-Szene sogar besonders hohe. Was die Lage für das Land de facto nur noch schlimmer macht.
Nur für den deutschen Kreditgeber nicht, der, Gewinn damit macht. Die KfW hat im Auftrag der Regierung in den ersten zwölf Monaten 8,4 Mrd. Euro Kredite an Griechenland verkauft. Zu einem flexiblen Zins, der über fünf Prozent liegt, damit ist aktuell die Rendite gut zwei Prozentpunkte höher als auf deutsche Staatsanleihen. Wunderbar: Das macht immerhin schon knapp 500 Mio. Euro Gewinn, die von der KfW nach Abzug üblicher Gebühren an den Bund überwiesen werden.
Peanuts für den Finanzminister Wolfgang Schäuble, klar. Nicht aber für den – sagen wir – „Bild“-Leser, der sich vor lauter Griechenland-Berichten ohnehin schon ganz arm fühlt. Bei zuletzt noch knapp 2,9 Millionen Auflage täglich und gerechter Aufteilung des Gewinns bekäme jeder Käufer des Informationsblatts 157 Euro.
Und das ist lange nicht alles. Der deutsche Finanzminister profitiert mit jedem Monat Griechenkrise zusätzlich davon, dass Anleger aus den Krisenländern in vermeintlich solide deutsche Staatsanleihen fliehen. Das drückt die Schuldenlast und erklärt, warum die deutschen Defizite so viel besser aussehen. Auch dieser Krisenbonus lässt sich – grob – schätzen. Im Aufschwung 1999/2000 lag der Langfristzins schnell bei 5,5 Prozent (siehe Grafik), im Boom 2006/07 immer noch bei 4,5 Prozent. Jetzt ist das Wachstum höher, was für stärkere Kreditnachfrage und höhere Zinsen spräche. Die Zinsen sind aber nicht einmal auf 3,5 Prozent gestiegen, in der Krise 2010 zeitweise sogar auf knapp über zwei Prozent gefallen – ein Geschenk des Himmels. Für uns.
Es spricht viel dafür, dass die Zinsen ohne Griechenkrise mindestens einen Prozentpunkt höher wären, wenn nicht so viel Geld aus den Krisenländern umgeschichtet würde. Schon ein solcher Aufschlag hätte den deutschen Finanzminister bei einer Anleiheemission von 350 Mrd. Euro (letzte Meldung 2009) entsprechende 3,5 Mrd. Euro Zinslast gekostet. Stattdessen gibt es einen Griechenbonus in gleicher Höhe, den der deutsche Steuerzahler nun spart.
Dazu kommt als Krisengewinn, dass auch Europas Zentralbank hohe Zinsen kassiert auf die Anleihen, die sie den Griechen abgekauft hat. Wenn das in der Größenordnung von 20 Mrd. Euro lag und die Zinsen zehn Punkte über dem Rest der Euro-Zone, macht das einen Gewinn von 2 Mrd. Euro, von dem die Deutschen gemäß ihrem Anteil am EZB-Kapital ein Viertel bekämen: also noch eine halbe Milliarde.
Dazu kann man dann noch rechnen, dass der Euro ohne Griechendrama sicher heute um einiges teurer wäre. Und der EZB-Leitzins ohne Südländerkrise mindestens einen Dreiviertelpunkt höher läge, wie Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, schätzt. Das bremst Investitionen und kostet 0,3 Prozent Wirtschaftsleistung, von denen knapp die Hälfte in Form von Steuern und Abgaben einem gewissen Herrn Schäuble entgeht.
Nimmt man das alles zusammen, ergibt das locker 10 Mrd. Euro Griechenbonus für uns. Selbst wenn Schäuble davon nur die Hälfte rausrücken würde, bekäme jeder „Bild“-Leser mal eben 1700 Euro – direkt vom Griechen sozusagen. Was für eine wunderbare Vorstellung (FTD-Leser haben so etwas natürlich nicht nötig). Bei voller Ausschüttung könnte man sinnvollerweise gleich noch all jene zum Rechen- und Ökonomiekurs schicken, die gerade die Überlastung deutscher Steuerzahler herbeifantasieren. Und wenn das gut klappt, könnte man sogar noch die FDP dort anmelden. Daran ändert auch der Verweis nichts, dass die Deutschen künftig zum Kapital des Rettungsfonds ESM mehr Geld beitragen sollen. Das ist eine reine Vermögensübertragung – kein Geld, das futsch ist.
Jetzt werden Sie sagen, dass das alles kippt, wenn der Grieche Pleite macht. Mag sein. Nur machen wir trotzdem bisher Gewinn. Und die Erfahrung lehrt, dass ein Staat wie Deutschland über den Vorrang als Kreditgeber eher gut bei einer Insolvenz wegkommt.
Abgesehen davon hängt die Pleite davon ab, wie konsequent andere den Griechen helfen und Garantien gegen Pleitegerüchte geben, statt jede potenzielle Hilfe zu beweinen und zu konditionieren. Nur so ließe sich auch die absurd gewordene Marktpanik stoppen. Und die Griechen könnten wirtschaftlich wieder wachsen, statt an absurd hohen Strafzinsen zugrunde zu gehen. Da muss man in Sachen deutsche Hilfsbereitschaft nur noch ein bisschen nachhelfen: mit dem Griechenscheck vom Finanzminister.


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